Wie eine «October Surprise» die US-Wahl entscheiden könnte (2024)

Wie eine «October Surprise» die US-Wahl entscheiden könnte (1)

Donald Trump und Hillary Clinton waren im Oktober 2016 beide mit überraschenden Entwicklungen konfrontiert.Bild: keystone

Die Oktober-Überraschung ist ein Mythos im US-Wahlkampf. Ein unerwartetes Ereignis kurz vor dem Wahltag hat demnach Einfluss auf den Ausgang des Präsidentschaftsrennens. Was ist wirklich dran?

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Peter Blunschi

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Der Zweikampf zwischen Kamala Harris und Donald Trump findet auf Messers Schneide statt. In den nationalen Umfragen liegt die Demokratin seit Wochen knapp in Führung, doch in den Swing States ist eine klare Prognose kaum möglich. Am Ende dürfte ins Weisse Haus einziehen, wer es besser schafft, seine Anhängerschaft zu mobilisieren.

Angesichts des engen Rennens rückt ein Mythos in den Fokus, der alle vier Jahre heraufbeschworen wird: die «October Surprise». Demnach könnte ein unerwartetes Ereignis im Schlussspurt des Wahlkampfs der einen oder anderen Seite einen entscheidenden Schub verschaffen. Einem Realitätscheck hält diese Annahme aber nur bedingt stand.

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Als Jimmy Carter (l.) am 21. Januar 1981 die Iran-Geiseln begrüssen konnte, war er schon nicht mehr Präsident.Bild: keystone

Bekannt wurde der Begriff «October Surprise» im Wahlkampf 1980. Der angeschlagene Amtsinhaber Jimmy Carter kämpfte gegen den Republikaner Ronald Reagan um seine Wiederwahl. Ein wichtiger Faktor waren die 52 Amerikaner, die seit einem Jahr in der US-Botschaft in Teheran als Geiseln gehalten wurden. Carter hoffte auf ihre Freilassung.

Der «Doppelschlag» 2016

Diese «October Surprise» wollten Reagan und sein Wahlkampfteam verhindern, wurde schon damals vermutet. Beweise für eine solche Intervention bei den Iranern gibt es nicht, doch letztes Jahr tauchten Indizien auf, die dafür sprechen. Jedenfalls gewann Reagan die Wahl, und die US-Geiseln wurden wenige Stunden nach seiner Vereidigung freigelassen.

Seither wurde regelmässig über eine mögliche Oktober-Überraschung spekuliert. Wirklich dazu gekommen ist es nie, ausser im Wahlkampf vor acht Jahren zwischen Hillary Clinton und Donald Trump. Erst tauchte ein Video auf, in dem Trump mit sexuellen Übergriffen auf Frauen prahlte. Viele glaubten damals, seine Kandidatur habe sich damit erledigt.

Hat Comey die Wahl entschieden?

Clinton sah wie die sichere Siegerin aus, doch nur elf Tage vor der Wahl eröffnete FBI-Direktor James Comey eine neue Untersuchung wegen der E-Mails, die sie während ihrer Zeit als Aussenministerin auf einem privaten Server gespeichert hatte. Clintons Vorsprung in den Umfragen schrumpfte, was womöglich zu Trumps Überraschungssieg beitrug.

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FBI-Chef James Comey eröffnete wenige Tage vor der Wahl 2016 eine Untersuchung gegen Hillary Clinton.Bild: AP/AP

Experten sind sich darüber nicht einig, doch für den Historiker David Greenberg von der Rutgers University in New Jersey ist der Comey-Effekt die einzige «October Surprise», die einen direkten Einfluss auf den Wahlausgang gehabt haben könnte. «In einem extrem knappen Rennen können ein oder zwei Prozentpunkte entscheidend sein», sagte er der BBC.

Extrem knapp sieht es auch dieses Jahr aus. Nun haben es Überraschungen so an sich, dass man sie nicht kommen sieht. Dennoch wird über eine mögliche «October Surprise» spekuliert, die Kamala Harris oder Donald Trump helfen könnte:

Nahost

Im Nahen Osten herrscht seit einem Jahr Krieg, und die Zeichen stehen auf Eskalation. Israel hat Vergeltung für den iranischen Raketenbeschuss von letzter Woche angekündigt, bislang aber nicht gehandelt. Spekuliert wird über einen Angriff auf das Atomprogramm oder Raffinerien, Ölfelder und Exportterminals wie jene auf der Insel Charg.

Präsident Joe Biden machte entsprechende Andeutungen, was sofort zu einem Anstieg der Rohölpreise führte. Das könnte Kamala Harris schaden, denn die Amerikaner reagieren sensibel auf den Öl- und vor allem den Benzinpreis. Dieser Aspekt dürfte am Mittwoch ein Thema gewesen sein beim Telefonat von Biden und Harris mit Benjamin Netanjahu.

Hurrikane

Hurrikan «Milton» trifft auf Florida

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Hurrikan «Milton» trifft auf Florida

Nach Hurrikan Milton ist Siesta Key in Florida überflutet.

quelle: keystone / rebecca blackwell

Die USA sind sich Wirbelstürme gewohnt. Mit «Helene» und «Milton» aber haben zwei verheerende Hurrikane in kurzer Zeit den Südosten heimgesucht. Donald Trump und sein Anhang decken die Regierung Biden mit Verschwörungstheorien ein. Sie behaupteten etwa, die Katastrophenschutzbehörde FEMA habe Gelder für Migranten zweckentfremdet.

Bei «Milton» bemühten sich Biden und Harris, Präsenz zu markieren. Die Hurrikane könnten der Demokratin auch helfen, sind sie doch ein schlagender Beweis für die katastrophalen Folgen der Klimaerwärmung, die Trump nach wie vor verharmlost. Kamala Harris könnte damit aufzeigen, wie wichtig Investitionen in erneuerbare Energien sind.

Demokratie

Donald Trumps problematisches Verhältnis zur Demokratie rückte zuletzt wieder in den Fokus der Öffentlichkeit. Sonderermittler Jack Smith veröffentlichte seinen neuesten Bericht zu Trumps Rolle beim Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021. Darin bestreitet er dessen Behauptung, er geniesse als damaliger Präsident Immunität vor Strafverfolgung.

Im Oktober erscheint zudem das neue Buch von Reporterlegende Bob Woodward, aus dem US-Medien bereits berichtet haben. Der Watergate-Enthüller beleuchtet darin die Schwärmerei von Donald Trump für den russischen Autokraten Wladimir Putin, bis hin zur Lieferung von Corona-Tests zu einer Zeit, als sie in den USA Mangelware waren.

AnalyseMehr Good News für Kamala Harris

Knapp vier Wochen sind es bis zur Wahl am 5. November. Ob aus diesen Ereignissen ein relevanter Einfluss auf das Ergebnis resultieren könnte, bleibt offen. Aussenpolitik spielt bei US-Wahlen in der Regel keine zentrale Rolle, ausser sie betrifft das Land direkt. Und die «Enthüllungen» von Jack Smith und Bob Woodward sind nicht allzu überraschend.

Dafür hat Kamala Harris zuletzt beim für sie heiklen Thema Wirtschaft aufgeholt, besonders bei den Frauen, und diese könnten bei der Wahl der entscheidende Faktor sein. Doch es dürfte bis zum Schluss eine Zitterpartie bleiben, auch für professionelle Beobachter. «Ich habe keine Fingernägel mehr», sagte Rutgers-Historiker David Greenberg der BBC.

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